Lieber Mensch! (ein Brief)
Lieber Mensch, der du dies liest! Was uns zwei verbindet, ist sehr speziell: Wir sind MENSCHEN! Die gängige Lehrmeinung ist noch immer, wir gehörten zur Spezies Homo sapiens. Im Ernst jetzt?!
Natürlich haben wir spontan nicht den Eindruck, wir seien neben dem Wald-Vergissmeinnicht (Myosotis sylvatica), dem Gemeinen Regenwurm (Lumbricus terrestris) und dem Waldkauz (Strix aluco) irgendeine weitere Art von Lebewesen, wie sie von Biologen bestimmt und mit lateinischen Artnamen versehen worden sind. Den Unterschied zu Pflanzen und Tieren etwas fundierter zu kennen, wäre aber schon ganz hilfreich. Darum bin ich Margot Dimi sehr dankbar, dass sie uns mit der Frage “Was macht den Mensch zum Menschen?” auf die Suche “in die Tiefe” geschickt hat. Eine Suche nach Antworten? Oder eher die Suche nach geeigneten Fragen?
Nun, lieber Mensch, ich denke, du und ich und einige Milliarden weiterer Menschen haben dem Vergissmeinnicht nicht nur die Bewegungsfreiheit voraus und dem Regenwurm nicht nur den aufrechten Gang und das größere Gehirn. Gerne kommt man bei der Suche nach spezifisch Menschlichem auf Kunst und Kultur, Sprache und so weiter. Doch oft finden wir dann bei höher entwickelten Tierarten eine Eigenschaft, die einer menschlichen verblüffend ähnelt: Fähigkeit zum Hausbau, Werkzeuggebrauch, Sinn für Schönheit und Symmetrie, Spieltrieb, differenzierte Kommunikation, um nur einige zu nennen.
Aber selbstverständlich haben große Geister aus Literatur und Philosophie schon vorgearbeitet. Individualität! Ich-Bewusstsein! Freiheit! Doch eine Frage wirft sich fast von selbst auf: Wissen wir denn, was die Begriffe bedeuten? Und falls du die Frage für dich bejahen kannst, war's das denn schon? Oder müssen wir tiefer suchen, grundlegender?
Ich will versuchen, mit den drei genannten Begriffen einen weiteren, zentralen Sachverhalt einzukreisen. Dafür benütze ich ein “Werkzeug”, wir könnten auch von einem Kunstgriff sprechen: Das Anerkennen von “Spiritualität”. Das Werkzeug wäre noch vor 150 Jahren stark religiös konnotiert gewesen, hätte vor hundert Jahren noch immer als exotisch neben der materialistischen Wissenschaft gestanden. Doch heute ist schon ein beachtlicher und stetig wachsender Teil der Menschheit bereit, Geist nicht mehr als Funktion der Materie anzusehen, sondern im Gegenteil als deren Voraussetzung. Ich gehöre auch zu diesen Menschen, und ich lade dich ein, mindestens für die Lesedauer dieses Textes in diese Gedanken einzutauchen.
Die folgende Prämisse wäre also jetzt unser Kunstgriff: Der Mensch als physisch-seelisch-geistiger Erdenbewohner ist ‒ wie auch die Tiere, die Pflanzen, die Mineralien ‒ eine “Schöpfung” aus dem Geistigen, aus der vielgestaltigen geistigen Welt. Ich gehe noch einen Schritt weiter. Du, lieber Mensch, bist ein individuelles, freies “Ich”. So wie ich auch. Wir sind also geistige Wesen, die für einige Jahrzehnte einen physischen Menschenkörper “bewohnen”. Im Unterschied zu den Tieren und Pflanzen, die jeweils als Gruppe gemeinsam den physischen Erdenleib eines Geistwesens bilden ‒ zum Beispiel alle Wildschweine oder alle Eichen ‒ hast bzw. bist du ein eigenes, individuelles Geistwesen. Du hast ferner ein Bewusstsein deiner selbst, ein Ich-Bewusstsein. Und jetzt kommt als drittes der erste springende Punkt: Du bist frei! Ich weiß, viele Menschen sind da anderer Ansicht, aber das wollen wir für den Moment ignorieren. Natürlich geht es nicht darum, welches Mineralwasser du trinkst, nicht einmal, ob ich gerade im Knast sitze oder in “Freiheit” bin. Um die Freiheit des Menschen besser zu verstehen, müssen wir jetzt einen kurzen Blick auf die Tiere werfen. Tiere haben, wie du weißt, Instinkte. Und sie leben im Wesentlichen von und mit diesen Instinkten. Das einzelne Wildschwein hat nicht die Möglichkeit, aus eigenem Entschluss etwa auf den Verzehr von Trüffeln zu verzichten wie wir auf das Rauchen. Es ist also im eigentlichen Sinn unfrei. Seine Fressgewohnheiten werden von seinem Gruppen-Geistwesen geregelt.
Was bedeutet dies nun für deine Freiheit? Du bist dein eigener Herr und Meister, … und ich bin meiner! Und es wäre natürlich ganz gut, wenn wir unsere Instinkte gelegentlich etwas besser unter Kontrolle hätten. Aber halt dich fest, es kommt noch dicker!
Der zweite springende Punkt, es ist kein harmloser, und er führt geradewegs ins Zentrum des Themas: Der Mensch, du und ich, wir sind zu etwas fähig, das den Tieren in dieser Form “erspart” bleibt: Wir sind zum Bösen fähig. Leider ist der Begriff furchtbar aufgeladen mit moralischer Wertung von Jahrhunderten, das vernebelt uns den Blick. Versuche “das Böse” einfach mal als Gegenpol zum “Guten” zu nehmen wie Nord und Süd oder schwarz und weiß. Dies vereinfacht das Verständnis. Dazu ein etwas plakatives Beispiel: Nehmen wir an, ich nerve dich gewaltig. Irgendwann wird es dir zu viel, du haust mir im Affekt eine runter, oder du lauerst mir gar im Dunkeln auf, ich lande mit Hirnblutung im Spital, meine Inkarnation nimmt ein frühes Ende. Das ist nicht gut, es ist böse. Es liegt in deiner Freiheit, in deiner Verantwortung. ‒ Oder ich mobbe dich am Arbeitsplatz, bis du … und so weiter. Auch das ist böse. Es liegt in meiner Freiheit, in meiner Verantwortung. Ich erspare uns jetzt das Beispiel mit dem Spitzenpolitiker und dem CEO der Waffenschmiede, deren Macht- und Gewinnstreben und Absprachen … wir verstehen uns. Das ist sehr sehr böse. Es liegt in ihrer Freiheit, in ihrer Verantwortung. Da sind aber auch geistige Mächte dahinter, geistige Wesen, deren Wirken uns die Augen öffnen müsste: es gibt sie wirklich, die “bösen Geister”, genauso wie es die vielen guten Geister gibt. Wir können sie uns vorstellen als hohe “Engel”, die die Aufgabe bekommen haben, die vorgesehene Entwicklung der Menschheit einerseits zu bremsen, anderseits übermäßig zu beschleunigen. Und wir sollen, sehr vereinfacht gesagt, die Mitte halten!
Mit der letzten Frage sind wir dann im Zentrum: Warum, ums Himmels Willen (!), wurde uns Menschen von den Schöpfermächten ‒ ich meide das Wort Gott, weil es suggeriert, es gäbe ausschließlich die eine große geistige Instanz ‒ die Möglichkeit zum Bösen denn zugemutet?!
Lieber Mensch, du ahnst die Antwort; ich muss sie kurz fassen.
Wir Menschen, die Menschheit, du und ich, wir haben die Aufgabe, die Entwicklung der Erde als Planet der Freiheit und der Liebe mitzugestalten. Eine Aufgabe für Jahrtausende. ‒ Wir sind mitten drin.
Herzlich
Bernhard
Sieht so aus als würden wir aus einer sehr ähnlichen Perspektive auf die Welt blicken :)
Die Möglichkeit zum Bösen! - Das darf erst mal sacken. Danke für diesen Brief.🖋️